Der AI Act – Europas neues Grundgesetz für Künstliche Intelligenz
Die Europäische Union hat mit dem AI Act (Artificial Intelligence Act) einen weltweit einzigartigen Rechtsrahmen geschaffen, um den Einsatz künstlicher Intelligenz zu regeln. Ziel ist es, KI-Systeme sicher, transparent und verantwortungsvoll zu machen.
Anders als die DSGVO betrifft der AI Act nicht nur den Datenschutz, sondern die komplette Wertschöpfungskette von KI – von der Entwicklung über die Bereitstellung bis hin zur Nutzung.
Der gesetzliche Rahmen basiert auf einem risikobasierten Ansatz, der KI-Systeme in vier Risikoklassen einteilt:
Die vier Risikokategorien des AI Acts
- Unannehmbares Risiko: Verbotene Systeme wie z. B. Social Scoring, versteckte Manipulation oder biometrische Überwachung.
- Hohes Risiko: Systeme im Gesundheits-, Justiz- oder Bildungsbereich, die besonders stark reguliert sind.
- Begrenztes Risiko: Systeme mit Transparenzpflicht, z. B. KI-Chatbots oder generative KI-Tools.
- Minimales Risiko: KI-Systeme, die keine wesentlichen Gefahren bergen (z. B. Spamfilter, einfache Vorschlagsfunktionen).
Warum der AI Act auch für Domain-Reseller und Agenturen relevant ist
Auch wenn viele denken, dass der AI Act nur große Tech-Konzerne betrifft, ist das ein Irrtum. Domain-Reseller und Digitalagenturen sind Teil der digitalen Lieferkette – und somit direkt oder indirekt betroffen, wenn sie KI-Systeme nutzen oder bereitstellen.
Wo in der Praxis KI zum Einsatz kommt
- KI-basierte Domain-Vorschlagsdienste („Diese Domain ist verfügbar – und wie wäre es mit …?“)
- Automatisierte Kundenberatung per Chatbot oder Voice-Assistant
- Text- und Bildgeneratoren für Web- und SEO-Inhalte
- KI-gestützte CRM-Systeme oder Support-Tools
- Automatisierte Sicherheitsscanner für Domains und Websites
Sobald KI bei Dir eingesetzt wird – sei es auf Deiner Website, im Backend oder in der Kundenkommunikation – bist Du Verantwortlicher im Sinne des AI Acts.
Welche Pflichten auf Domain-Reseller und Agenturen zukommen
Der AI Act bringt konkrete Pflichten mit sich – auch für Euch als Dienstleister oder Toolnutzer. Die wichtigsten Anforderungen im Überblick:
1. Überblick über alle KI-Systeme verschaffen
Führe eine Bestandsaufnahme durch: Welche Tools, Plugins oder Plattformen nutzt Du, in denen KI-Funktionen integriert sind?
Tipp: Auch Anbieter, die nicht mit dem Begriff „KI“ werben, können solche Funktionen im Hintergrund integriert haben.
2. Transparenzpflichten erfüllen
Wenn KI zum Einsatz kommt, muss klar und verständlich darauf hingewiesen werden. Beispiel: Ein Chatbot darf nicht als „echter“ Mitarbeiter erscheinen, wenn er automatisiert antwortet.
Konkrete Beispiele:
- „Dieses System nutzt künstliche Intelligenz.“
- „Antworten werden automatisiert generiert.“
3. Verträge und Tools prüfen
Auch wenn Ihr Drittanbieter-Tools nutzt, seid IHR in der Verantwortung, dass diese konform mit dem AI Act sind. Das betrifft vor allem:
- Nutzungsbedingungen
- Datenschutzbestimmungen
- Anbieter außerhalb der EU
4. Risiken dokumentieren
Ihr müsst intern dokumentieren:
- Welche KI-Systeme verwendet werden
- Zu welchem Zweck
- Wie transparent der Einsatz ist
- Welche Risiken bestehen
- Welche Maßnahmen zur Risikominderung getroffen wurden
5. Prozesse regelmäßig überprüfen
KI-Tools entwickeln sich rasant. Deshalb ist es notwendig, regelmäßig zu kontrollieren, ob neue Funktionen dazukommen, die Euch plötzlich in eine höhere Risikokategorie bringen – und damit auch mehr Pflichten auslösen.
Was passiert, wenn man nichts tut?
Der AI Act sieht bei Verstößen empfindliche Bußgelder von bis zu 30 Millionen Euro oder 6 % des Jahresumsatzes vor – je nachdem, was höher ist.
Selbst wenn Du als Agentur „nur“ ein KI-Tool einsetzt und nicht selbst entwickelst, kannst Du im Ernstfall mit in der Verantwortung stehen – etwa wenn Kunden über ein von Dir bereitgestelltes System unzureichend informiert werden.
Handlungsempfehlung für Reseller und Agenturen
Damit Du nicht überrascht wirst, sondern souverän durch den AI Act navigierst, solltest Du jetzt aktiv werden:
Deine 5-Schritte-Checkliste für AI-Compliance
- Tools inventarisieren: Alle KI-gestützten Systeme identifizieren
- Risiken klassifizieren: Entsprechend der AI Act-Risikoklassen einordnen
- Transparenz schaffen: Nutzer über KI-Einsatz klar informieren
- Drittanbieter prüfen: Nur konforme Tools verwenden
- Dokumentation aufbauen: Für interne Nachvollziehbarkeit und externe Prüfungen
Fazit – Nicht nur Juristenkram, sondern Wettbewerbsfaktor
Der AI Act ist kein reiner Bürokratieakt. Er bringt Ordnung in einen bisher weitgehend unregulierten Bereich – und schafft Vertrauen bei Kunden und Partnern. Wer frühzeitig handelt, kann sich sogar strategisch positionieren:
- als vertrauenswürdiger Anbieter
- als KI-kompetente Agentur
- als rechtskonformer Reseller
In einer Welt, in der Vertrauen immer wichtiger wird, ist AI-Konformität nicht Kür, sondern Pflicht.
Bonus: Häufige Fragen von Resellern zum AI Act
Muss ich als Reseller AI-Kenntnisse nachweisen?
Nein, aber Du musst wissen, ob und wie in Deinen Systemen KI verwendet wird. Technisches Grundverständnis reicht in der Regel aus – es braucht kein Data-Science-Diplom.
Gilt der AI Act auch für US-Tools?
Ja. Wenn die Tools innerhalb der EU verwendet werden oder EU-Bürger betreffen, unterliegen sie dem AI Act – egal, wo sie entwickelt wurden.
Was ist mit generativen Tools wie ChatGPT?
Wenn Du Inhalte generierst und veröffentlichst (Texte, Bilder, Videos), musst Du transparent machen, dass KI beteiligt war – z. B. auf Eurer Website, in Impressum oder Content-Hinweisen.
Du willst auf Nummer sicher gehen?
Der AI Act ist kein Thema, das man auf die leichte Schulter nehmen sollte – aber auch kein Grund zur Panik. Wichtig ist, dass DUú Dich jetzt mit Deinen eingesetzten Tools und Prozessen auseinandersetzt und verstehst, wo KI bereits eine Rolle spielt – und wo es Regelungsbedarf geben könnte.
Nimm Dir die Zeit, um Dein System sauber zu analysieren, Risiken einzuordnen und Transparenz zu schaffen. Es gilt: Wer Domains verkauft, sollte auch die Spielregeln des digitalen Raums verstehen – und genau da setzt der AI Act an.
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